Das Gericht erklärt teilweise den Beschluss der Kommission für nichtig, wonach es keine staatliche Beihilfe darstellt, dass Transfer- oder Transitpassagiere von der irischen Flugreisesteuer befreit sind

Kategorie: Steuern

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02.12.2014

Seit dem 30. März 2009 müssen Fluggesellschaften in Irland eine Verbrauchsteuer entrichten, die als „Flugreisesteuer“ („air travel tax“) bezeichnet wird. Diese Steuer ist für „jeden Abflug eines Fluggasts mit einem Flugzeug von einem Flughafen“ in Irland zu entrichten. Nach dem irischen Finance Act (Finanzgesetz), auf dem diese Flugreisesteuer beruht, werden Transferpassagiere1 oder Transitpassagiere2 durch die Definition des Begriffs „Passagier“ von der Entrichtung dieser Steuer befreit. Bei ihrer Einführung wurde die Flugreisesteuer nach Maßgabe der Entfernung zwischen dem Startflughafen und dem Zielflughafen berechnet und betrug 2 EUR für Reisen zu Zielflughäfen, die maximal 300 km vom Flughafen Dublin (Irland) entfernt lagen, und 10 EUR in allen übrigen Fällen.

 

Infolge einer Untersuchung der Kommission änderten die irischen Behörden deren Sätze ab 1. März 2011, indem sie einen einheitlich für sämtliche Abflüge geltenden Steuersatz schufen, nämlich eine Steuer von 3 EUR unabhängig von der zurückgelegten Strecke. Im Juli 2009 reichte Ryanair bei der Kommission eine Beschwerde ein, mit der sie verschiedene Aspekte dieser irischen Flugreisesteuer beanstandete. Ryanair machte insbesondere geltend, dass die Nichterhebung der Flugreisesteuer von Transit- und Transferpassagieren eine rechtswidrige staatliche Beihilfe zugunsten der Fluggesellschaften Aer Lingus und Aer Arann darstelle, da diese einen relativ hohen Anteil solcher Fluggäste und Flüge hätten. Ryanair wies außerdem darauf hin, dass die Steuer bei den Ticketpreisen von Billigfluganbietern einen höheren Anteil ausmache als bei etablierten Fluggesellschaften, da es sich um einen Pauschalbetrag handele. Außerdem begünstige der in Abhängigkeit von der zurückgelegten Strecke niedrigere Steuersatz Aer Arann, da 50 % der Passagiere dieser Luftfahrtgesellschaft zu einem Bestimmungsort reisten, der weniger als 300 km vom Flughafen Dublin entfernt liege.

 

Mit Beschluss vom 13. Juli 2011 stellte die Kommission u. a. fest, dass die Nichterhebung der Flugreisesteuer von Transfer- und Transitpassagieren keine staatliche Beihilfe darstelle, da diese Maßnahme nicht selektiv sei3 (vgl. Pressemitteilung der Kommission). Ryanair war hingegen der Meinung, dass hierin eine staatliche Beihilfe liege, und beantragte daher die teilweise Nichtigerklärung dieses Beschlusses der Kommission beim Gericht der Europäischen Union. Ryanair macht insbesondere geltend, dass die Kommission „erhebliche Zweifel“ an der Zulässigkeit der Steuerbefreiung von Transfer- oder Transitpassagieren hätte haben müssen und folglich zu dieser Frage das förmliche Prüfverfahren hätte einleiten müssen4. Das Flugunternehmen ist der Meinung, die Kommission sei zu Unrecht zu dem Schluss gelangt, dass die Befreiung nicht selektiv sei. Schließlich behauptet Ryanair, dass der Zweck der Befreiung der Systematik des Steuerrechts fremd sei und traditionelle Fluggesellschaften begünstige.

 

Mit seinem Urteil erklärt das Gericht den Beschluss der Kommission, wonach die
Nichtanwendung der irischen Steuer auf die Beförderung von Transit- und
Transferpassagieren im Luftverkehr keine staatliche Beihilfe darstelle, für nichtig.
Wenn die Kommission in der Vorprüfungsphase einer staatlichen Maßnahme ernsthaften Schwierigkeiten begegnet, die bei ihr Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit dem Binnenmarkt aufkommen lassen, muss sie ein förmliches Prüfverfahren einleiten. Das Gericht hat daher geprüft, ob im vorliegenden Fall bestimmte Umstände dafür sprachen, dass die Kommission solchen Schwierigkeiten begegnet war.

Hierzu hat das Gericht zunächst festgestellt, dass die Dauer der Vorprüfungsphase
übermäßig lang war und es dafür keine Rechtfertigung gab. Der Beschluss der Kommission erging am 13. Juli 2011 am Ende einer Vorprüfungsphase, die mit dem Eingang von Ryanairs Beschwerde am 21. Juli 2009 eingeleitet worden war und somit fast 24 Monate gedauert hatte.

 

Derartige Zeiträume gehen über das hinaus, was normalerweise für eine erste Prüfung erforderlich ist, deren einziger Zweck es ist, der Kommission eine erste Meinungsbildung über die Einstufung der von ihr zu beurteilenden Maßnahmen und über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu ermöglichen. Dies ist daher ein Indiz dafür, dass die Kommission bei dieser Prüfung auf ernsthafte Schwierigkeiten gestoßen ist. Weiter ist das Gericht der Auffassung, dass die von der Kommission durchgeführte Prüfung unvollständig und unzureichend war. Dies ist insbesondere auf gewisse Unstimmigkeiten im Beschluss der Kommission selbst sowie zwischen Letzterem und dem Inhalt des Schreibens der irischen Behörden zurückzuführen, das Anlass zur Prüfung der Befreiung gegeben hatte. Diese Unstimmigkeiten lassen den Schluss zu, dass die Kommission bei Erlass ihres Beschlusses nicht über die nötigen Informationen verfügte, um eine hinreichend vollständige Prüfung der Selektivität der Maßnahme vorzunehmen und anzunehmen, dass die Modalitäten für die Befreiungsregelung keine Zweifel aufgeworfen hätten.

 

Im Ergebnis führt daher nach Auffassung des Gerichts eine Gesamtheit objektiver und übereinstimmender Indizien zu dem Schluss, dass die Kommission das förmliche Prüfverfahren hätte eröffnen müssen, um zu klären, ob die Befreiung selektiven Charakter trägt, und um dann möglicherweise zu dem Schluss zu gelangen, dass keine staatliche Beihilfe vorliege. Dies hätte es Ryanair und den anderen Beteiligten ermöglicht, im Rahmen dieses Verfahrens Stellung zu nehmen.

Quelle: EU-Kommission